Das Vorbenutzungsrecht dient dazu, den vor der Patentanmeldung bestehenden gewerblichen oder wirtschaftlichen Besitzstand eines Vorbenutzers im Verhältnis zum Patentinhaber zu schützen. Die Wirkungen des Patents treten somit nicht gegenüber demjenigen ein, der zum Zeitpunkt der Anmeldung bzw. der Priorität, die Erfindung bereits in Benutzung genommen hat oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte.
Um diesen Besitzstand wirtschaftlich sinnvoll zu gebrauchen, nehmen Vorbenutzer i.d.R. mit ihren Produkten am Wirtschaftsleben teil, wobei der Wettbewerb eine Weiterentwicklung der Produkte erforderlich macht. Weiterentwicklungen, die über den Umfang der bisherigen Benutzung hinausgehen, sind dem Vorbenutzer allerdings verwehrt, wenn sie in den Gegenstand der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung eingreifen (BGH GRUR 2002, 231).
Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Weiterentwicklung und somit ein wirtschaftlich sinnvoller Gebrauch eines vorbenutzen Gegenstandes dennoch möglich und vom Vorbenutzungsrecht erfasst ist, hat sich der BGH in seiner im Juni 2023 ergangenen Entscheidung „Faserstoffbahn“ befasst (BGH GRUR 2023, 1184). Danach sind Weiterentwicklungen vom Vorbenutzungsrecht erfasst, wenn:
- kein zusätzlicher, in einem Unteranspruch oder in der Beschreibung hervorgehobener Vorteil verwirklicht wird;
- die Weiterentwicklung eine vollständig gleichwertige Alternative betrifft;
- es sich um eine für den Fachmann, der sich im Prioritätszeitpunkt im Erfindungsbesitz befindet, selbstverständliche Abwandlung handelt.