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Stand der Technik durch Arbeitsgruppensitzung einer Standardisierungsorganisation

12. Mai 2022

Ob eine technische Entwicklung neu und erfinderisch ist, hängt vom Stand der Technik ab. Jüngst hatte der BGH zu entscheiden, ob Informationen, die im Rahmen einer Arbeitsgruppensitzung einer Standardisierungsorganisation ausgetauscht werden (hier des European Telecommunication Standards Institute, ETSI), zum Stand der Technik gehören oder nicht.

Hintergrund ist, dass Informationen dann nicht zum Stand der Technik gezählt werden, wenn der Austausch der Informationen in einem eng begrenzten Personenkreis erfolgt und die berechtigte Erwartung besteht, dass die im Rahmen einer gemeinsamen Zusammenarbeit ausgetauschten Informationen vertraulich behandelt werden (ständige Rechtsprechung des BGH, insbesondere BGH v. 13.12.1997, GRUR 1978, 297 – hydraulischer Kettenantrieb). Bei Arbeitsgruppensitzungen von Standardisierungsorganisationen werden derlei Informationen jedoch unter direkten Wettbewerbern ausgetauscht.

Der BGH hat nun in seinem Urteil vom 18.1.2022 (Az. X ZR 14/20) differenziert, in welchem konkreten Rahmen Informationen ausgetauscht wurden: Dokumente und Informationen, die den Teilnehmern in einer förmlichen Sitzung präsentiert werden, sind in der Regel der Öffentlichkeit zugänglich. Äußert sich dagegen ein Teilnehmer eines solchen Treffens außerhalb einer Sitzung im Gespräch mit anderen Teilnehmern zu technischen Sachverhalten, muss er regelmäßig nicht damit rechnen, dass diese Informationen einem nicht begrenzten Kreis von Personen zugänglich – und damit zum Stand der Technik – werden.

Erfinder sollten daher besonders vorsichtig bei der Präsentation von Informationen in solchen Arbeitsgruppen sein und sich vor entsprechenden Treffen mit der Sicherung von Schutzrechten befassen.